CONF: Forum Kunst und Markt – “From Russia with / without Doubt”: Globale Netzwerke – Expertisen – Gerichtsprozesse Symposium, 15/11/2019

Seit Jahren sind Galerien und Auktionshäuser vermehrt mit Kunst aus Russland konfrontiert, deren Pro­venienzen ungeklärt und deren Echtheitszertifikate unzuverlässig sind. Auch Museen sind davon nicht ausgenommen; 2018 musste etwa das Kunstmuseum Gent über 20 Arbeiten aus einer russischen Pri­vatkollektion nach Protesten von Expert*innen aus einer Ausstellung zu­rückziehen. Mehrere „Fälschungs-Skandale“, unter anderem um die Moskauer Tretjakow-Galerie, münde­ten in Gerichtsverfahren, die mit Geld- und Gefängnisstrafen für die involvierten Akteur*innen endeten.Umstrittene, unklare Provenienzen betreffen alle Kunstsparten, besonders aber die international stark nachgefragte Avantgarde: Russische Museen und Experten gaben wiederholt öffentlich bekannt, dass die Anzahl der gefälschten Kunstwerke der Avantgarde die der echten bei weitem übertreffe.

Die russische Regierung leitete Gegenmaßnahmen ein: Sie untersagte Mitarbeitern staatlicher Museen, „nicht hausinter­ne“ Gutachten zu erstellen. Zudem unterstützt und finanziert das Kulturministerium in Kooperation mit Sponsoren die digitale Aufarbeitung von Werksverzeichnissen und Nachlässen bedeutender Kunstschaf­fender, fördert Online-Inventare und Repositorien, die Arbeiten nur nach offizieller Begutachtung aufneh­men. Als vorbildhaft gilt vielen die Arbeit der Pariser Kandinsky-Gesellschaft, 1979 von der Witwe des Künst­lers begründet. Kunstmarkt- und Fälschungsforschung wird zunehmend von „Oligarchen“ subventioniert. Einige unter­stützen seit 2016 die Forschungsinitiative RARP, Russian Avant-Garde Research Group, mit Sitz in Lon­don, die u.a. in Kooperation mit dem Courtauld Institute, der Universität Oxford und russischen Museen quellenbasierte Forschung „nach höchsten Standards“ betreibt. Die wissenschaftliche Aufarbeitung von Archivmaterial führte zuletzt in mehreren Fällen zu Neubewertung von Sammlungsbeständen.

PD Dr. Waltraud M. Bayer, WienWaltraud M. Bayer ist Historikerin und arbeitet zu den Themenbereichen Museen, Sammeln und Kunstmarkt in Osteuropa.  Sie studierte in Wien, St. Paul / Minneapolis, Washington D.C. und Moskau u. a. Geschichte, Cultural Studies und Sprachen (Deutsch, Englisch, Russisch). Von 1991 bis 2016 war sie am Institut für Geschichte der Universität Graz tätig. Zu ihren Buchpublikationen zählen „Die Moskauer Medici: Der russische Bürger als Mäzen, 1850-1917“ (Wien 1996), „Verkaufte Kultur: Die sowjetischen Kunst- und Antiquitätenexporte, 1919-1938“ (Frankfurt a. M. 2001), „Gerettete Kultur: Private Kunstsammler in der Sowjetunion, 1917-1991“(Habilitationsschrift, Wien 2006) sowie „Moscow Contemporary: Museen zeitgenössischer Kunst im postsowjetischen Russland“ (Wien 2016). Seit 2018 ist sie FWF Senior Research Fellow in Wien und leitet das FWF-Projekt „Private Kunstmuseen und Stiftungen russischer Oligarchen“ (P 31388).