Lecture: ‘Museum progressing rapidly’ (Berlin, May 28, 2018)

Dr. Meike Hopp and Sophie Kriegenhofer :
„Museum progressing rapidly”: Der Kunsthändler Julius Böhler (1883-1966), der amerikanische Kunstmarkt und das Ringling Museum of Art in Florida

Datum: 28/05/2018, 18:15 Uhr
Ort: Raum A 111, Architekturgebäude der TU, Straße des 17. Juni 150/152, 10623 Berlin

Fotodokumentation und Karteikarte zu Nr. 324-26: Peter Paul Rubens, Porträt eines Mönchs (Öl auf Holz, 47,6 x 38,7 cm) © Fotoarchiv Julius Böhler, Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) München. Das Bild wurde 1926 über Julius Böhler an John Ringling verkauft (heute: The Ringling, Sarasota/Florida, USA, Inv. No. SN224).

Abstract: In den 1910er Jahren begann der Zirkusmagnat John Ringling (1866–1936) mit dem Aufbau einer eigenen Kunstsammlung. Schon früh verfolgte er das Ziel, diese zu einem eigenen Museum auszubauen, um für seine Heimatstadt Sarasota in Florida ein Kultur- und Bildungszentrum zu begründen. Der Münchner Kunsthändler Julius Wilhelm Böhler (1883-1966) wurde zum wichtigsten Akteur, anfangs als ständiger Berater, später sogar als Kurator beim Aufbau des John and Mable Ringling Museum of Art (heute The Ringling). Zusammen mit seinem Vertrauten reiste Ringling nicht nur in die Schweiz und nach Italien, sondern erwarb allein zwischen 1925 und 1932 auf Böhlers Vermittlung hin mehr als 400 Gemälde und kunsthandwerkliche Objekte, auch auf Auktionen z.B. in London und in den USA. 
Doch so rasant der Aufbau des Museums mit seiner hervorragenden Sammlung an Gemälden namhafter alter Meister (Velazquez, El Greco, Murillo, Veronese, Tiepolo, Rubens, etc.) von statten ging, so schnell war es auch dem eigenen Verfall ausgesetzt. Ringling hatten die Folgen der Weltwirtschaftskrise in den frühen 1930er Jahren hart getroffen; bis zu seinem Tod im Dezember 1936 sah er sich mit erheblichen finanziellen Problemen konfrontiert. Nach einem Prozess mit den Gläubigern wurde das Museum in den 1940er Jahren an den Staat Florida überstellt, der den Bau über lange Zeit vernachlässigte. Im Jahr 2000 wurde das Ringling schließlich an die Florida State University (FSU) übergeben, die das Museum von 2002 bis 2007 erstmals umfassend renovierte und erweiterte.
Die Sammlung, deren Bestand noch heute in weiten Teilen auf die kurze, aber intensive Partnerschaft zwischen dem amerikanischen Unternehmer und dem deutschen Kunsthändler zurückgeht, gilt als Errungenschaft der internationalen Sammlergeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dennoch sind viele Facetten dieser Zusammenarbeit von der Forschung noch nicht beleuchtet worden. Wie kam die eigenwillige Kooperation zwischen dem amerikanischen Sammler und dem international tätigen Münchner Händler Julius Böhler, der weitere Filialen in Luzern, Berlin und New York unterhielt, genau zustande? Ist diese Konstellation ein Einzelfall? Wie etabliert war Julius Böhler zu diesem Zeitpunkt auf dem amerikanischen Kunstmarkt und wie bewährten sich derlei transatlantische Partnerschaften in der Praxis? Hat Böhler die Sammlung Ringlings jenseits von den Akquisitionen auch in seiner Funktion als „Kurator“ erkennbar geprägt? Wie unterscheidet sich das traditionell institutionelle Sammeln von dieser Kooperation, die dem Händler konzeptionellen Einfluss auf die museale Sammeltätigkeit zugestand?

Meike Hopp studierte Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Theaterwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. 2008 wurde ihre Magisterarbeit mit dem Heinrich-Wölfflin-Preis der LMU ausgezeichnet. 2012 promovierte sie zum Thema „Kunsthandel im Nationalsozialismus. Adolf Weinmüller in München und Wien“ (Köln: Böhlau 2012). Seit 2009 betreut sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Kunstgeschichte (ZI) München zahlreiche Projekte im Bereich der Provenienz- und Kunstmarktforschung, u. a. in Kooperation mit der Staatlichen Graphischen Sammlung München und dem Projekt „Provenienzrecherche Gurlitt“ des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste Magdeburg. Seit 2017 leitet sie das durch die Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung ermöglichte Forschungsprojekt „Händler, Sammler und Museen: Die Kunsthandlung Julius Böhler in München, Luzern, Berlin und New York. Erschließung und Dokumentation der gehandelten Kunstwerke 1903-1994“.

Sophie Kriegenhofer hat Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Regensburg studiert. 2015 absolvierte sie ihr Master-Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) zum Thema „Die Zusammenarbeit der Kunsthandlungen Julius Böhler München und Karl Haberstock Berlin: Eine Analyse gemeinsam gehandelter Gemälde zwischen 1936 und 1945“. Seit 2015 ist sie Wissenschaftliche Hilfskraft am Zentralinstitut für Kunstgeschichte München (ZI) im Projekt über die „Rekonstruktion des ‚Führerbau-Diebstahls‘ Ende April 1945 und Recherchen zum Verbleib der Objekte“. Seit Oktober 2016 promoviert sie an der LMU München zu den transatlantischen Beziehungen der Kunsthandlung Julius Böhler und dem amerikanischen Kunstmarkt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.