Schwabenakademie Irsee, 27. – 29.03.2020
Deadline: Sep 16, 2019
Der Künstler als Buchhalter: Serielle Aufzeichnungen zu Leben und Werk
Unter dem generellen Gesichtspunkt des buchhaltenden Künstlers sind von Künstlern selbst angelegte Arbeitsbücher (wie das bebilderte „Liber Veritatis“ von Claude Lorrain) und Werkverzeichnisse (wie der handschriftliche Œuvre-Katalog von Paul Klee) angesprochen oder Korrespondenzen und Tage- bzw. Reisebücher, die für einen längeren oder kürzeren Zeitraum Einblick in das Anfertigen oder den Verkauf von Kunstwerken geben, deren Auftraggeber bzw. Käufer dokumentieren oder die Lebens- und Arbeitsbedingungen reflektieren.
Dabei gibt es für die Quellengattung „Arbeitsbuch“ noch keinen etablierten einheitlichen Begriff, synonym werden verwendet „Auftragsbuch“, „Geschäftsbuch“, „libro dei conti“, „libro di ricordo“, „livre de raison“, „livre de comptes“, „account book“ oder „memorieboek“. Möglich sind auch Aufzeichnungen, die durch Dritte zum Künstler gefertigt wurden / werden. So sind Beiträge willkommen, die aus historischer Perspektive nicht die Künstler selbst, sondern beispielsweise deren Ehefrauen / Lebenspartner als Sachwalter in den Blick nehmen bzw. – quasi als Ausblick – die heutige Rolle von Familienangehörigen, Kunsthistorikern, Händlern oder Stiftungen beleuchten, die buchhalterisch über das Œuvre wachen und damit am Kunstmarkt als Akteure auftreten. Denn deren Expertise hat großen Einfluss auf den Marktwert der so bestimmten Kunstwerke (beispielsweise bei Egon Schiele). Als eine Sonderform können auch Aufzeichnungen analysiert werden, die in totalitären Staaten beispielsweise von Geheimdiensten zu Künstler und Werk verfasst wurden.
Der zeitliche Bogen soll von den ersten Nachweisen bis hin zur Gegenwart gespannt werden, um sich dieser – von der Kunst- und Kulturgeschichte noch nicht hinreichend erforschten – Quellengattung vergleichend anzunähern. In der Vormoderne ist danach zu fragen, ob es Unterschiede zwischen den in der Stadt arbeitenden (Zunft-) Künstlern bzw. Hofkünstlern gibt. Wie spiegeln sich die Zeitverhältnisse, wie ein Geschmackswandel wider? Reflektiert – im Sinne der Künstlersozialgeschichte – diese Quellengattung die Arbeits- und Lebensbedingungen der Künstler?
Im Idealfall dokumentieren die Aufzeichnungen über eine größere Zeitspanne hinweg erledigte Aufträge (mit den Namen von Auftraggebern, erzielten Preisen bzw. auch von Außenständen) sowie die Arbeitsbedingungen, den Materialverbrauch, getroffene Vereinbarungen, oder bei handschriftlichen Œuvre-Katalogen das ›Formen‹ des eigenen Outputs, also das Lenken der Außenwahrnehmung bzw. Rezeption des eigenen künstlerischen Schaffens. Mitunter sind im allgemeineren Sinn diese Quellen auch als Selbstzeugnisse zu lesen, da persönliche Gedanken- oder Erlebnisschilderungen einfließen können. Die Quellen können auch belegen, dass der Künstler sich nicht hauptsächlich durch den Verkauf seiner Werke ernährte, sondern andere Einnahmen hatte, um den Lebensunterhalt zu sichern.
Die Tagung soll erstmals viele Facetten dieser Quellengattung aufzeigen, um zu einer gemeinsamen Vergleichsebene der buchhalterischen Aspekte der Künstlerexistenz zu gelangen, wobei eine Gesamtdarstellung kompilierend erfolgen muss. Es wird schwerlich möglich sein, eine Kategorienbildung vorzunehmen. Die Überblicksdarstellung soll dennoch alle Aspekte beinhalten, die dieser Gattung zu eigen sind und sich zu weiteren Forschungen öffnen.
Die Ergebnisse der Tagung werden 2021 gedruckt vorliegen.
Die Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch; die Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten werden übernommen.
Abstracts für bislang unpublizierte Beiträge (max. 2.000 Zeichen) werden in deutscher oder englischer Sprache mit kurzem Lebenslauf und gegebenenfalls einer Auswahl einschlägiger Publikationen bis zum 16.09.2019 per E-Mail gerichtet an: >irsee8@uni-trier.de<.
Das Kunsthistorische Forum Irsee ist ein Zusammenschluss der Schwabenakademie Irsee (Dr. Markwart Herzog, Dr. Sylvia Heudecker) und der Trierer Arbeitsstelle für Künstlersozialgeschichte (Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke) und arbeitet fallweise mit wechselnden Kooperationspartnern zusammen; so für das Jahr 2020 mit Prof. Dr. Holger Th. Gräf (Marburg) und dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde.
Das 2012 gegründete Kunsthistorische Forum Irsee konzipiert jährlich Frühjahrsakademien. Diese widmen sich dem Forschungsfeld „Künstler und Gesellschaft“. Das Kunsthistorische Forum Irsee bietet einen inner- wie interdisziplinären Forschungsrahmen. Es zielt darauf, genuin kunsthistorische Forschungsansätze mit sämtlichen Disziplinen, Methoden und Fragestellungen der (historischen) Kulturwissenschaften zu verbinden.
Zu einem spezifischen Thema wird jährlich in einem Call for Papers um Beitragsvorschläge gebeten. Der wissenschaftliche Nachwuchs, das heißt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Promotionsphase und der Post-doc-Phase, soll dabei in hohem Maß einbezogen werden. Das Forum verfolgt zugleich das Ziel, Themen wissenschaftlich aufzubereiten, die aktuell in der Gesellschaft diskutiert werden, um innovative wissenschaftliche Ansätze in die Öffentlichkeit zu bringen.
Die Ergebnisse einer Frühjahrsakademie werden in einem Tagungsband im Michael Imhof Verlag (Petersberg) veröffentlicht und auf der jeweils folgenden Frühjahrsakademie präsentiert. Bisher sind erschienen bzw. in Druck:
– Künstlerreisen. Fallbeispiele vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Kunsthistorisches Forum Irsee, Bd. 7). Petersberg 2020 (im Druck).
– Künstlerfeste. In Zünften, Akademien, Vereinen und informellen Kreisen (Kunsthistorisches Forum Irsee, Bd. 6). Petersberg 2019.
– BilderGewalt. Zerstörung – Zensur – Umkodierung – Neuschöpfung (Kunsthistorisches Forum Irsee, Bd. 5). Petersberg 2018.
– Künstlerinnen. Neue Perspektiven auf ein Forschungsfeld der Vormoderne (Kunsthistorisches Forum Irsee, Bd. 4). Petersberg 2017.
– Von kurzer Dauer? Fallbeispiele zu temporären Kunstzentren der Vormoderne (Kunsthistorisches Forum Irsee, Bd. 3). Petersberg 2016.
– Die Klage des Künstlers. Krise und Umbruch von der Reformation bis um 1800 (Kunsthistorisches Forum Irsee, Bd. 2). Petersberg 2015.
– Fälschung – Plagiat – Kopie. Künstlerische Praktiken der Vormoderne (Kunsthistorisches Forum Irsee, Bd. 1). Petersberg 2014.
The Irsee Art History Forum is a cooperation between the Schwaben Academy (Dr. Markwart Herzog, Dr. Sylvia Heudecker) and the Social History of the Artist Research Centre (Dr. Dr. Andreas Tacke, Professor).
The Irsee Art History Forum founded in 2012 holds annual spring academies. These are devoted to research in the field ›artist and society‹. The Irsee Art History Forum offers an inner- as well as an interdisciplinary research framework. Its goal is to link genuine research approaches into art history with all disciplines, methods and questions concerning (historical) cultural studies. Suggestions for articles are requested annually in a call for papers on a specific topic. Young academics, that is, academics in the doctoral phase and post-doc phase, are to be included to a great degree. At the same time, the forum has as a goal developing scholarly topics which are currently being discussed in society and to convey innovative scholarly approaches to the public.
The results of the spring academies are to be published in respective conference proceedings by Michael Imhof Verlag (Petersberg) and presented at the next spring academy the following year.
You must be logged in to post a comment.