Eine Sammlung trägt Objekte zusammen, verknüpft sie und spiegelt strukturell und funktional die Grundeigenschaft des Netzes. Mit Blick auf die Sammlungspraxis sind allenthalben Vernetzungsgeschehen zu beobachten.
Gegenwärtig werden Objekte mit Hilfe moderner Technologien in potentiell unendlichen Geflechten miteinander verbunden – aber auch wieder entbunden. Gilt das auch für (ganze) Sammlungen? Wir wollen die Akteur*innen des Sammelns, Sammlungen als solche und die Sammlungsforschung mit Bezug auf das Netzmodell und damit vor dem Hintergrund von Vernetzungspraktiken, Datennetzen und netzwerkanalytischen Technologien positionieren. Anhand von zeitgenössischen und historischen Fallstudien sind Sammlungen und ihre Akteur*innen in vernetzten sowie als vernetzte Konstellationen aufzuspüren und nachzuzeichnen.
Bewerbung bis zum 15.10.2021
Man kann behaupten, dass eine Sammlung strukturell und funktional die Grundeigenschaft des Netzes spiegelt, denn sie trägt Objekte zusammen und verknüpft sie. In der Sammlungspraxis sind immer Vernetzungsgeschehen zu beobachten, eine Sammlung ist immer intentional, ihr Sinn ist vom Kalkül der Objektbeziehungen bestimmt. Sammlungen sind nicht statisch, sie unterliegen den Zeitläuften, dem Sammlerwillen, unvorhergesehenen Verstrickungen, sie sind niemals abgeschlossen. Es stellt sich aber die Frage, wie sich die versammelten Objekte zueinander und wie sich ganze Sammlungen gegenüber anderen Sammlungen verhalten? Wenn Sammlungen Beziehungen der eigenen Objekte untereinander wie zu Objekten in anderen Sammlungen stiften, dann werden Objekte aus ursprünglichen Kontexten auch immer wieder herausgelöst und flechten andere Beziehungen: Vernetzung schließt also ”Ent-Netzung” mit ein, Sammeln meint stets auch die Auflösung von Sammlungen.
Ziel der Tagung
Die Tagung will die Akteur:innen des Sammelns, Sammlungen als solche und die Sammlungsforschung mit Bezug auf das Netzmodell und damit vor dem Hintergrund von Vernetzungspraktiken, Datennetzen und netzwerkanalytischen Technologien positionieren. Anhand von zeitgenössischen und historischen Fallstudien sind Sammlungen und ihre Akteur:innen in vernetzten sowie als vernetzte Konstellationen aufzuspüren. Zu diskutieren ist, in welchem Maß die Analogie von Netz und Sammlung heuristisch produktiv ist. Die Tagung versucht ferner, die eigene Wissensarbeit als Vernetzungspraxis performativ umzusetzen und zu reflektieren.
Fragekomplexe
Gesucht werden Fallstudien zu den folgenden (aber nicht ausschließlichen) Themen- und Fragestellungen:
1. Wie können Sammlungen anhand von Netzwerktheorien neu beschrieben werden? Welche Vernetzungsprinzipien bestimmen Sammlungen? Inwieweit ermöglichen oder verhindern Vernetzungsstrukturen Interaktionen von Sammlungen und ihren Objekten?
2. In welchen Netzwerken agieren Sammlerinnen und Sammler, warum begeben sie sich überhaupt in Netzwerke? Wie lassen sich die Dynamiken von Sammlungen angemessen darstellen?
3. Wie hoch ist angesichts der verbreiteten Rede von „Netz“ und „Netzwerkanalyse“ das Erkenntnispotential des Netzes als heuristische Metapher und methodisches Instrument für die Sammlungsforschung? Anders ausgedrückt, wie produktiv können das Vorstellungsbild vom Netz und die Netz-Technologie als Analyseinstrument sein?
Für ein ausführlicheres Exposé mit weiteren Ausgangsbeobachtungen: https://vfr.mww-forschung.de/web/netz-und-sammlung
Tagungsablauf
Die Tagung ist als kollaborativer und experimenteller Erkenntnisprozess angelegt. Den Auftakt bildet am Mittwochabend (30.03.2022) ein Roundtable mit drei Referent:innen zu den Netzimplikationen von Sammlungspraxis und Sammlungsforschung. Am Donnerstag (31.03.2022) werden in vier aufeinander folgenden Panels die Fallstudien präsentiert, die die skizzierten Perspektiven adressieren. Einen zeitlichen Schwerpunkt gibt es nicht, die Konfrontation von historischen und modernen, nicht zuletzt digitalen Beispielen aus der Sammlungspraxis ist erwünscht. Fluchtlinie aller Beiträge ist die Erörterung der Brauchbarkeit des Netzes als Beschreibungsmodell für die Funktionalität und Dynamik von Sammlungen.
Für Freitag (01.04.2022) streben wir an, dass die präsentierten Daten, Akteur:innen und Sammlungen aus den Fallstudien (jeweils in passenden Kleingruppen) mit Unterstützung der Digital Humanities untereinander und mit externen Wissenskontexten „vernetzt”, in Beziehung gesetzt werden. Es geht um Fragen der Datenmodellierung und Möglichkeiten der Analyse bzw. Visualisierung, aber auch um die theoretische Auseinandersetzung mit dem Erkenntnispotential des Netzes als heuristische Metapher und methodisches Instrument für die Sammlungsforschung.
Die Tagung soll mit entsprechendem Hygienekonzept in Präsenz an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel stattfinden. Die Arbeitssprache ist Deutsch, englische Beiträge sind ebenso möglich.
Angesprochen sind Nachwuchswissenschaftler:innen, Historiker:innen, Sammlungsforscher:innen, Literatur-, Bibliotheks- und Kulturwissenschaftler:innen sowie Technikphilosoph:innen mit DH-Interesse. Die Publikation eines Tagungsbandes in der Reihe “Kulturen des Sammelns: Akteure – Objekte – Medien“ (hg. von der Herzog August Bibliothek) ist geplant.
Zur Bewerbung bitten wir um einen Abstract zur vorgeschlagenen Fallstudie (max. 500 Wörter) und einen kurzen Lebenslauf (max. 150 Wörter) bis zum 15.10.2021 an: wiegand@hab.de.
Organisation: Dr. Joëlle Weis, Dr. Jörn Münkner, Maximilian Görmar
Kontakt: muenkner@hab.de
Informationen zum Forschungsverbund MWW: www.mww-forschung.de
Die Tagung wird finanziell gefördert durch die Dr. phil. Fritz Wiedemann-Stiftung.